
Datenarchäologie – „Yachthafen-Wrack Hohe Düne“
20. September 2020
Die zur Bekämpfung des Corona Virus notwendigen Maßnahmen brachten nicht nur Einschränkungen in unseren Projektarbeiten, sonder eröffneten auch neue Chancen, um sich intensiver mit unseren Altprojekten auseinander zu setzten. Hierbei gerieten auch Daten von Rostock-Ost 71, des „Yachthafen-Wracks Hohe Düne“ wieder in den Fokus. Dort hatten wir in den Jahren 2010 und 2011 in Zusammenarbeit mit der zuständigen Denkmalschutzbehörde das Wrack ausgegraben, dokumentiert und gegen mechanische und biologische Gefahren gesichert. Ursache dieser Arbeiten war die Schiffbohrmuschel teredo navalis, welche die Schiffshölzer befallen hatte, nachdem das Wrack während des Hafenbaus durch Baggerarbeiten partiell zerstört worden war.
Die Arbeiten in 2011 waren wir besonders motiviert angegangen, da wir das Wrack erstmals als 3D-Modell dokumentieren und darstellen wollten. Grundlage sollte das CAD-Programm AutoCAD und das dazu erhältliche Plugin PhotoPlan sein. Über dreidimensional eingemessene Passpunkte am Wrack sollte in AutoCAD ein Gittermodell entstehen, welches abschließend mit den Fotos des Befundes über das Plugin „tapeziert“ würde.
Die größte Herausforderung dabei war die zentimetergenaue Einmessung der Passpunkte. Hierzu hatte einer unserer Grabungstechniker einen Trigomaten für den Einsatz unter Wasser weiter entwickelt. Dabei handelt es sich um ein Messgerät, welches in seinen Grundlagen in den 1980iger Jahren entwickelt wurde und dessen Funktion auf der Trilateration basiert. Hierbei wird die Position eines unbekannten Punktes über dessen Entfernung zu drei bekannten Punkten berechnet. Mit Hilfe dieses Verfahrens erhofften wir uns unter Wasser auf aufwendige, teure und zeitintensive Rahmenkonstruktionen verzichten zu können.

Zum geplanten Projektstart Anfang März 2011 lag der Hafen in Hohe Düne unter einer dicken Eisdecke. An archäologische Grabungen im Hafenbecken war unter diesen Bedingungen nicht zu denken. Erst am 18. März hatten sich die Einsatzbedingungen soweit gebessert, dass mit dem Freilegen des Wracks begonnen werden konnte. Da die Arbeiten gemäß der Vereinbarung mit dem Hafenbetreiber jedoch bereits am 31. März abgeschlossen seinen mussten, hatte sich durch die Verzögerungen unser Zeitfenster auf lediglich 13 Einsatztage reduziert. Ein Großteil dieser Zeit wurde für den Abtrag der auf dem Wrack liegenden Sedimente benötigt. Anschließend befestigten die Taucher die nummerierten Passpunkte auf den Schiffshölzern. Vor dem Fotografieren galt es die Oberfläche des Wracks von den Feinsedimenten zu befreien. Diese wurden durch den Geräteeinsatz während des Sedimentabtrags aufgewirbelt und setzten sich nach Abschluss der Arbeiten als dünne „Staubschicht“ auf den Befunden ab. Da dies auch nach dem „Putzen“ sofort wieder einsetzte, erfolgte das Fotografieren direkt im Anschluss, damit die Kamera möglichst viele Details erfassen konnte.

Als letzter Arbeitsschritt erfolgte das Einmessen der Passpunkte. Hierzu wurden die drei Messstationen des Trigomaten rund um das Wrack platziert, und die Messeinrichtung justiert. Anschließen schwamm der Taucher zu jedem der Messpunkte, notierte dessen Nummer, positionierte die Messeinrichtung und löste die Messung aus. Diese Arbeiten dauerten bis in den Nachmittag des 31. hinein. Die Zeit wurde so knapp, dass parallel zum letzten Tauchgang bereits mit dem Verpacken und Abtransportieren der nicht mehr benötigten Ausrüstungsbestandteile begonnen werden musste. Mit einer letzten Kraftanstrengung wurden die Messungen abgeschlossen und die Grabungsstelle wie vereinbart am Abend des 31. verlassen.

Nun, nach Abschluss der Feldarbeiten, warteten alle gespannt auf die Auswertung der Messergebnisse. Schließlich war es der erste Prototyp des Unterwasser-Trigomaten und schon allein die gelungene Aufnahme der Passpunkte, also die fehlerfreie Funktion der Hardware unter Wasser, war ein großer Erfolg. Nach etwas mehr als vierwöchiger Wartezeit erfolgte die Ernüchterung: Der Unterwasser-Trigomant 1.0 lieferte zu ungenaue Messergebnisse für die gewünschte 3D-Modellierung. Ursachen der Ungenauigkeiten wurden diskutiert, Lösungsmöglichkeiten generiert und Wege für deren technischer Umsetzung ersonnen. Dies nahm entsprechend Zeit in Anspruch und zwischenzeitlich eröffneten die Verbesserungen in der Computertechnik neuen Verfahren die Tür.

Im Zeitraum 2012/13 waren die PCs so Leistungsfähig geworden, das 3D Modelle auch mittels des Structure from Motion (SfM) Verfahrens berechnet werden konnten. Dieses Verfahren der Fotogrammetrie berechnet die 3D Struktur aus dichten Abfolgen von 2D Fotografien eines Körpers. Für die Archäologie unter Wasser zeichneten sich dadurch vollkommen neue Möglichkeiten ab, sodass sich unser Arbeitsschwerpunkt hierhin verlagerte. Um das kürzlich erst gesicherte Wrack Rostock-Ost 71 in seiner Erhaltung nicht zu gefährden, wurden die Test- und Entwicklungsschritte an anderen Wrackfunden durchgeführt – das Wrack im Hafen geriet aus dem Blickfeld.

Dies änderte sich im Frühjahr 2020. Durch die Einschränkungen aufgrund des Corona-Virus fand sich unverhofft Zeit und bei der Durchsicht der alten Dateien fanden sich auch die 2011 für unser 3D-Modell erzeugten Bilddaten. Als erstes stach dabei die im Vergleich zu aktuellen Sensoren deutlich schwächere Bildqualität in Auge. Die Farben wirkten blass und auch die Anzahl der Bildpunkte lag deutlich unterhalb aktueller Standards. Mit den frühen Varianten der SfM-Software wäre ein Berechnungsversuch sicherlich aussichtslos erschienen, aber auch die Software verbesserte sich von Jahr zu Jahr. So entstand mit etwas Verzögerung doch noch das gewünschte Modell, aus dem die obigen Ansichten entnommen wurden.