MiroBase ROV: Test vor Warnemünde im November 2020
10. Januar 2021
Der Himmel bedeckt und grau schimmernd, der Wind bläst sanft Wellen übers Meer und die Außentemperaturen veranlassen die Teammitglieder dazu ihre Jacken sorgfältig zu schließen. Es ist ein typischer Tag Anfang November, als die Boote Warnemünde verlassen und ihrem nur wenige Kilometer entfernten Ziel zusteuern. Es handelt sich um das „Schlepper-Wrack“, welches rund 1,5 km nordwestlich der Warnemünder Molen in 9 m Tiefe liegt. An ihm wollen Mitarbeitende des Fraunhofer IGD und der Uni Rostock ihre neuste Entwicklung aus dem MiroBase Projekt testen, ein kleines ferngesteuertes Unterwasserfahrzeug (ROV „remotly opereated vehicle“). Die taucherische Begleitung für die Wissenschaftler erfolgt durch unsere Mitglieder der Gesellschaft für Schiffsarchäologie Rostock.
Für die Archäologie sind kleine, kostengünstige ROVs, wie sie im MiroBase Projekt entwickelt werden äußerst spannend. Sollten sich diese günstigen Geräte für die Foto- und Videodokumentation von Befunden einsetzen lassen, wäre das eine kleine Revolution. Taucher sind bei ihren Einsätzen am Meeresgrund zwar eine „Allzweckwaffe“, die sehr flexibel alle anfallenden Arbeiten erledigen können. Doch setzen Atemluftvorrat, Kälte und die Stickstoffaufsättigung in den Körpergeweben enge zeitliche Grenzen bei den Arbeiten am archäologischen Befund. Eine Maschine unterläge diesen Einschränkungen nicht. So könnte ein ROV stundenlang unter Wasser bleiben und die zeitaufwendige Foto- und Videodokumentation der Befunde durchführen. Die Bediener auf dem Schiff könnten sich bei Bedarf leicht ablösen, sodass innerhalb eines Einsatzes große Befunde erfasst werden könnten. Dies würde die gesundheitlichen Risiken für die Taucher minimieren und die Kosten in Grabungs- und Dokumentatiosprojekten deutlich senken. Weiter ließe sich über die visuelle Begleitung der Taucher die Tauchsicherheit erhöhen. Unsere Mitglieder waren daher sehr gespannt auf die Tests.
Für das MiroBase Team ging es darum die in das Gerät eingeflossenen Innovationen unter den harten Bedingungen der Realität zu testen. Ganz vorne auf der Liste standen dabei die reglergestützten Bewegungen, welche die Bedienung des ROV vereinfachen und den Operator entlasten sollen. Weiter galt es die Funktionsfähigkeit des überarbeiteten, ROS basierten Betriebssystems zu überprüfen. Mit ihm lassen sich über 3.000 Softwaretools integrieren, darunter bsw. auch Manipulatoren (Greifarme). Für uns von besonderem Interesse war der Einsatz der „SmartCam“. In diese Kamera haben die Wissenschaftler einen Algorithmus zur Bildverbesserung integriert. Sie soll auch im trüben Wasser scharfe Bilder liefern und für 3D-Modelle oder photogrammetrische Vermessungen optimiertes Bildmaterial liefern. Weiter war auch der neu integrierte CAN Bus (Controller Area Network) von großer Bedeutung. Mit ihm sollten die Daten der unterschiedlichen Module über lediglich einen Kommunikationsstrang transportiert werden können. Unabdingbar, denn schließlich sollen die Bediener auf dem Schiff die Daten ja in Echtzeit erhalten, um sie den Aufgaben entsprechend schnell weiterverarbeiten oder speichern zu können.
Wie so häufig, so war die Ostsee auch bei diesen Tests unerbittlich. Die dichte Wolkendecke erzeugte bereits an der Wasseroberfläche lediglich ein kümmerliches Licht. Dies verlor sich mit zunehmender Wassertiefe rasch, sodass die Sensoren des ROV und die bordeigene Beleuchtung angemessen geprüft wurden. Weiter tummelten sich in der Wassersäule unzählige Schwebeteilchen, welches eine intensive Prüfung des zur Bildverbesserung entwickelten Algorithmus‘ ermöglichte. Und wie bestellt, so forderte die um das Wrack herrschende Strömung die reglerbasierte Steuerung heraus. Im Großen und Ganzen also hervorragende Testbedingungen.
Abseits der durch die Techniker in den Booten stattfindenden Tests bot sich den Tauchern am Wrack der für die Jahreszeit typische Anblick. Frei vom sommerlichen Algenbewuchs ist das Wrack mit Miesmuscheln überzogen. Beim detaillierten Blick sind die Seepocken gut erkennbar. Sie siedeln meist auf den Miesmuscheln und filtern das sie umströmende Wasser mit ihren kleinen Fangarmen. Hier und dort gleiten Seesterne über die Muscheln und laben sich an deren Innereien. Umschwärmt wird dieses Szenario von unzähligen Jungfischen, welche in dichten Wolken das Wrack umwabern und die Foto- und Filmaufnahmen beeinträchtigen.
Die ROV-Technik hat großes Potenzial für die Dokumentation archäologischer Funde und Befunde unter Wasser. Das MiroBase ROV lag ruhig im Wasser, kam gut mit der vorhandenen Strömung zurecht und wurde so schnell Teil der Tauchgruppe. Damit ist er ein echtes Plus für die Tauchsicherheit.
Anspruchsvoll gestaltete sich die zielgerichtete Navigation des ROV von der Wasseroberfläche. Da die eigene Position des ROV nur grob geschätzt werden kann, fällt es schwer das Tauchziel direkt anzusteuern, sodass sich hier eine Leinenverbindung zwischen Fundplatz und Wasseroberfläche bewährte. Hier wäre eine genauere Lokalisierung wünschenswert, um die Geräteposition und die daraus resultierende Fahrtrichtung besser bestimmen zu können.
Der implementierte Algorithmus verbesserte das Bildmaterial in beachtenswerter Weise, jedoch setzte das günstige Basismodell der Kamera hier noch Grenzen. Ähnliches Potenzial steckt im eingesetzten Lichtsystem.
Das Entwicklerteam des MiroBase ROV zeigte sich mit den technischen Tests sehr zufrieden. Die neu implementierte reglerbasierte Steuerung habe sich unter Realbedingungen bewährt. Zudem ließen sich die im Testgerät eingesetzten Zusatzmodule über das ROS Betriebssystem sicher ansteuern und der neue CAN Bus sorgte für eine sichere Datenverbindung. Ebenso erfüllten die Bildverbesserungsalgorithmen in der SmartCam die in sie gesetzten Hoffnungen und zauberten aus dem trüben Basismaterial beachtliche Bilder. Ein Video zum Einsatz kann hier angesehen werden (Video Fraunhofer IGD).
Fazit: Für beide Teams ein erfolgreicher Testtag.
Erstmals konnte für die chronisch unterfinanzierte Archäologie ein bezahlbares ROV getestet werden. Das durch verschiedene Modifikationen verbesserte MiroBase ROV ist in seiner Testversion bereits zielführend unter guten Umweltbedingungen einsetzbar. Zudem sollte es aufgrund seiner modularen Bauweise relativ einfach aufgerüstet werden können, um die im Testverlauf erkannten Potenziale zu heben. Hierzu wollen die Forschenden das ROV zukünftig mit einem „Waypoint-Flug“ System ausstatten. Damit sollen entlang eines Unterwasser-Koordinaten-Systems die Befunde befahren werden können, um effektiv Bildmaterial für die 3D-Modellierung erfassen zu können. Ähnliche Verfahren sind in der Luft mittels Drohnen heute schon Standard und sollen dies zukünftig auch unter Wasser sein.